Integration ist eine Daueraufgabe
DWB, LAMPERTHEIM. Christine Lambrecht, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, besucht die Diakonie Bergstraße, um sich über Angebote für junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu informieren. „Demokratie und demokratische Werte zu vermitteln ist nicht einfach“, so die Ministerin.
Informativ und unterhaltsam, aber auch ernste Töne sind zu hören, als die Kolleginnen und Kollegen der Diakonie Bergstraße Ministerin Lambrecht ihre Arbeit vorstellen. Konkret geht es um die Bereiche der Jugendmigrationsdienste (JMD) sowie der Respekt Coaches. Dies sind zwei Angebote, die das Ziel, haben Jugendliche und junge Erwachsene zu unterstützen, sie in ihrer jeweiligen Lebenssituation zu stärken, Demokratie zu fördern und Extremismus und Intoleranz entgegen zu wirken.
„Gerade nach den Lockdowns kommen viele Kinder und junge Erwachsenen zu uns, die ganz viel Aufholbedarf haben“, erläutert Stefan Grünewald, einer der Respekt Coaches im Kreis Bergstraße. „Viele wissen nicht, wie sie mit Konflikten umgehen sollen.“ Seine Kollegin Sarah Dickmeis bestätigt dies: „Wir erleben Leistungsängste, Angst vor Prüfungen oder aber, dass jemand nicht mit anderen in einem Raum sein kann.“ Hierbei unterstützen die Respekt Coaches.
Die Respekt Coaches sind direkt an Schulen tätig. Im Kreis Bergstraße sind dies die Alexander-von-Humboldt-Gesamtschule in Viernheim und das Schulzentrum West in Lampertheim. Der Fokus liegt auf Primärprävention. Das heißt, sie werden tätig, bevor es brennt. Sie gehen unter anderem aktiv in Klassen und schauen sich Gruppendynamiken an, um mögliche Konflikte zu erkennen. Durch gemeinsame Übungen werden demokratische Werte und Normen in einer Schulklasse erleb- und greifbar gemacht.
“LASS UNS REDEN”, Video: chris.m.g.film
Dauerhaftes Angebot wünschenswert
Eine der derzeitigen Herausforderungen ist, dass die Stellen der Respekt Coaches befristet sind. Dabei leisten sie gerade in Übergangsphasen wichtige Arbeit. So unterstützen sie den Prozess des Kennenlernens nach einem Schulwechsel. Gehen aber auch gezielt auf einzelne Schüler ein, die sich auffällig verhalten. Und stärken so einen fairen Umgang miteinander und demokratische Werte. „Unsere Arbeit schweißt die Klasse zusammen“, ergänzt Sarah Dickmeis.
Dass diese Arbeit wichtiger denn je ist, bestätigt auch Christine Lambrecht. „Die Angriffe auf die Demokratie werden immer mehr, gerade deshalb ist es so wichtig, darüber zu reden.“ Auch die Lehrer erleben diese Angebote als nützlich und wünschen sich, dass die Respekt Coaches sie und ihre Klassen dauerhaft unterstützen.
Geänderte Rahmenbedingungen – fehlende Ressourcen
Corona hat auch die Arbeit der Jugendmigrationsdienste (JMD) stark beeinflusst. Die JMD richten sich an junge Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte im Alter von 12-27 Jahren, aber auch an diejenigen, die in Deutschland geboren sind und einen Migrationshintergrund aufweisen.
Während der Lockdowns waren öffentliche Institutionen nicht mehr auf gewohntem Weg zugänglich. Der JMD war in diesen Zeiten der einzige Beratungsdienst, der verlässliche und zuverlässige Unterstützung leistete, indem er u.a. die Kontakte mit den für die jungen Menschen notwendigen Ämtern und Behörde sicherstellte.
Integration ist eine Daueraufgabe
„Unsere Aufgabe ist, die jungen Menschen zu unterstützen, zu schauen, was sie mitbringen und wie wir ihnen helfen können“, erläutert Marion Persson. „Das Ziel ist Hilfe zur Selbsthilfe. Dies erfordert eine intensive Begleitung nach dem Handlungskonzept Case Management. Leider fehlen uns derzeit die dafür notwendigen personellen Ressourcen.“
Das Ziel, die Jugendlichen in die Lage zu versetzen, ihre Angelegenheiten Schritt für Schritt selbst zu erledigen, um irgendwann ein selbstständiges Leben zu führen, wird dadurch verzögert. Dafür sind die Beratungszahlen einfach zu hoch geworden erläutert Tobias Lauer, Leiter des Diakonischen Werkes Bergstraße.
„In den Beratungen können leider oft nur die drängendsten Probleme bearbeitet werden. Wir sind nur noch Feuerwehr. Die jungen Menschen bekommen nicht das, was sie brauchen und wir werden unseren eigenen Ansprüchen auch nicht mehr gerecht“, ergänzt Inge Müller, Landeskoordinatorin der Jugendmigrationsdienste. Die Probleme sind vielfältiger geworden. Sie betont, dass es trotzdem weiterhin notwendig ist, passgenaue Angebote zu akquirieren, die interkulturelle Öffnung voranzubringen und im Sozialraum präsent zu sein. Denn Integration ist eine Daueraufgabe.
Unterstützung von Stadt und Ministerin
„Für uns ist der Besuch von Ministerin Lambrecht ein wichtiges Zeichen“, so Tobias Lauer, Leiter der Diakonie Bergstraße. „Wir und unsere Arbeit werden wahrgenommen und können sichtbar etwas für Jugendliche und junge Erwachsene bewegen“.
Der Erste Stadtrat der Stadt Lampertheim, Marius Schmidt, betont die gute Zusammenarbeit mit der Diakonie und sagt, die Stadt sei sehr froh, dass das Diakonische Werk im Landkreis ist. „Wir haben uns für eine Partnerschaft für Demokratie beworben, da passen die Respekt Coaches sehr gut rein.“
Auch Ministerin Lambrecht sichert ihre Unterstützung zu. Sie kennt die Diakonie Bergstraße seit langem. Ihr ist wichtig, dass Angebote, wie die Respekt Coaches und der JMD präsent sind in einer Zeit, die für viele anstrengend war. „Es ist gerade jetzt wichtig, wieder zu lernen, Spaß zu haben und Freude zu zeigen“, betont sie ihr Anliegen. Gleichzeitig sei ihr bewusst, dass Demokratie nicht einfach ist und es wichtig ist, dass es Menschen gibt, die sich dafür einsetzen und bereit sind, zu unterstützen. Sie habe auch in diesem Termin wieder ganz viel mitgenommen, dankte sie allen Beteiligten.
Quelle: DWB (SUE), 03.09.2021
Foto: Diakonie Bergstraße