Gottesdienst zum Diakoniesonntag
Evangelisches Dekanat Bergstraße, HEPPENHEIM. Bei einem Gottesdienst zum Diakoniesonntag, zu dem das Evangelische Dekanat Bergstraße, das Diakonische Werk Bergstraße und die Heppenheimer Christuskirchengemeinde gemeinsam eingeladen hatten, haben sich die „Unerhörten“ in der Gesellschaft Gehör verschafft. Zu Wort kamen Menschen mit psychischen Erkrankungen und ohne festen Wohnsitz.
„In der Tagesstätte für psychisch Erkrankte in Rimbach komme ich mit Menschen zusammen, die ähnliche Probleme haben wie ich. Ich bin dabei, bin mittendrin und fühle mich angenommen“, sagte Antje Blazevic in der Heppenheimer Christuskirche. In der Corona-Pandemie sei das zunächst alles weggefallen. Die Tagesstätte musste schließen. Das beklagten auch andere Psychisch Erkrankte, die persönlich nicht anwesend waren. Ihre Aussagen wurden vorher aufgezeichnet und als Audio eingespielt.
Das Diakonische Werk Bergstraße als Träger der Einrichtung versuchte so gut es ging, mit den Betroffenen Kontakt zu halten. Doch sie hätten ihren Alltag weitgehend allein bewältigen müssen und das verschlechtere oft ihren Gesundheitszustand, meinte der stellvertretende Leiter des Diakonischen Werks Tobias Lauer. „Dass unsere Tagesstätte auf Anordnung des Landes Hessen noch geschlossen bleiben musste, während Freizeitparks längst wieder öffnen durften, hat mich persönlich sehr geärgert.“
Auf einer Parkbank kann niemand “zuhause bleiben”
Im Kreis Bergstraße leben nach Angaben des Diakonischen Werks rund 200 Menschen ohne festen Wohnsitz. Zu Beginn der Pandemie musste die Wohnungsnotfallhilfe des Diakonischen Werks die Zahl ihrer Überachtungsplätze einschränken. Diejenigen, die einen Platz hatten, durften länger als üblich bleiben, so dass es keine Fluktuation gab. „Alle anderen, die kein Dach über dem Kopf haben, konnten der Aufforderung zuhause zu bleiben, einfach nicht nachkommen“, sagte Katharina Alborea, Sozialarbeiterin beim Diakonischen Werk.
Das bestätigte im Gottesdienst ein Wohnsitzloser, der namentlich nicht genannt werden wollte. Er und viele andere hätten auch die Abstands- und Hygieneregeln nicht einhalten können. „Das Schlimmste war für mich, dass alle Toiletten geschlossen waren. Richtig fürchterlich ist das, wenn man Durchfall hat.“ Corona sei für viele Wohnsitzlose nur ein weiteres Problem bei der Bewältigung ihres Alltags, dem sie nur tatenlos gegenüber stehen könnten. Einer formulierte es drastisch in einem vorher aufgezeichneten Interview so: „Entweder bringt uns die Scheiße um oder wir kriegen sie nicht.“
Aktiv zuhören – genau hinsehen
Dekan Arno Kreh, der gemeinsam mit der Heppenheimer Gemeindepfarrerin Jasmin Setny den Gottesdienst gestaltete, bezeichnete die „Unerhörten“ als Experten ihres Alltags und forderte dazu auf, ihnen genau zuzuhören. „Aktives Zuhören bringt Menschen miteinander in Beziehung. Wo wir genau hinsehen und zuhören, gewinnen wir neue Perspektiven“. Auch die Bibel nehme immer wieder Menschen in den Blick, die in Not seien. Gott sehe ihre Not und er höre ihre Klagen.
Tobias Lauer vom Diakonischen Werk betonte, dass der Dialog mit den „Unerhörten“ wichtig sei. Unsere Aufgabe ist es, ihnen zuzuhören und mit ihnen gemeinsam nach Lösungen zu suchen“. Seine Kollegin Katharina Alborea meinte, dass man Wohnsitzlose finanziell unterstützen könne ohne mit erhobenen Zeigefinger zu ermahnen, das Geld nicht für Alkohol auszugeben. „Noch besser aber ist es, mit ihnen zu reden und sie zu fragen, was sie brauchen.“
Die Kollekte des Gottesdienstes, der musikalisch von Theresia Gerlach (Orgel) und Annette Claar-Kreh (Gesang) gestaltet wurde, war für die Einzelfallhilfe der Diakonie bestimmt. Mit dem Geld werden Menschen unbürokratisch in akuter Not unterstützt.
Quelle: Evangelisches Dekanat Bergstraße (bbiew), 13.09.2020
Foto: bbiew
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