Das Spiel, das garantiert keinen Spaß macht
KDA, BAYERN. Die letzte Erhöhung des Bürgergeldes um 12 Prozent hat dazu geführt, dass in der Öffentlichkeit wieder sämtliche Klischees vom bequemen Leben in der staatlichen Hängematte bedient werden.
Dabei gleicht der Anstieg lediglich Kaufkraftverluste der letzten Jahre aus, insgesamt bleibt das Bürgergeld immer noch viel zu niedrig und lückenhaft. Nachvollziehen lässt sich dies in der aktualisierten Fassung des „Bürgergeld-Bingo“ mit den neuen Regelsätzen, die seit Jahresbeginn zur Verfügung steht.
Um nachvollziehbar zu machen, wie realitätsfern die Grundsicherung in Deutschland berechnet ist, haben die Diakonie, das Armutsnetzwerk, der Evangelische Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt KWA und der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (kda Bayern) das Onlinespiel „Bürgergeld-Bingo“ entwickelt, das seit Januar mit neuen Regelsätzen läuft. Über 10.000 Menschen haben es bereits gespielt.
„Wie würden Sie von 563 Euro leben?“ lautet die Leitfrage des Spiels, das sich insbesondere an Menschen mit gesichertem Einkommen richtet. Aufgabe ist es, das Bürgergeld auf zwölf Ausgabenbereiche zu verteilen und so einmal ein Leben am Existenzminimum zu simulieren. Es ist ein Spiel, das garantiert keinen Spaß macht, aber Aha-Effekte ermöglicht.
In der Debatte um die richtige Höhe des Bürgergeldes, geht es um eine der verantwortungsvollsten Aufgaben des Staates. Die Grundsicherung soll allen Menschen ein Leben in Würde ermöglichen. Sie muss die physische Existenz, aber auch ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe garantieren.
Deshalb sind die Anforderungen an die Berechnung des Bürgergeldes hoch. Das Bundesverfassungsgericht fordert, dass das Existenzminimum transparent, sachgerecht und realitätsgerecht ermittelt wird. Leider ist das Gegenteil der Fall. Die Höhe des Bürgergeldes wurde in Teilen willkürlich, fehlerhaft und lebensfern berechnet:
Das Bürgergeld wird aus den statistisch erfassten Konsumausgaben der Bevölkerung im unteren Einkommensbereich abgeleitet („Statistikmodell“). Dabei wird jedoch nicht sichergestellt, dass die Vergleichsgruppe nicht selbst schon von Armut betroffen ist. Es entstehen statistische Zirkelschlüsse. Für Erwachsene werden die einkommensschwächsten 15 Prozent, für Kinder die einkommensschwächsten 20 Prozent der Haushalte zum Vergleich genommen. Diese Festlegung ist willkürlich.
Entgegen den Prinzipien des Statistikmodells streicht der Gesetzgeber bestimmte Konsumausgaben aus der Rechnung. So wird Bürgergeldbeziehenden zum Beispiel kein Geld für Haustiere, Weihnachtsbäume, Regenschirme, Malstifte oder Speiseeis zugestanden. Das ist beliebig und statistisch unsauber. Das Verfahren führt zu einer empfindlichen Kürzung des Bürgergeldes um etwa ein Viertel.
Hohe Einmalausgaben, die etwa entstehen, wenn eine kaputte Waschmaschine oder ein Computer ersetzt werden muss, können aus dem Bürgergeld kaum bestritten werden. Dafür sind nur minimale monatliche Euro-Beträge vorgesehen, die über Jahre hinweg angespart werden sollen. Das ist ein lebensferner Ansatz, der in keinem armen Haushalt funktioniert.
Wir sagen, das Bürgergeld reicht nicht und muss von Grund auf neu berechnet werden! Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, das Existenzminimum transparent, sachgerecht und realitätsnah zu ermitteln. Dies darf nicht hinter verschlossenen Türen geschehen, sondern muss Organisationen und Fachleute aus der Zivilgesellschaft einbeziehen. Insbesondere fordern wir dazu auf, auch Menschen mit Armutserfahrung als Expertinnen und Experten zu beteiligen, damit das Bürgergeld nicht weiter an der Lebensrealität der darauf angewiesenen Menschen vorbeigeht!
Bürgergeld-Bingo: Empathie statt Populismus
Wir brauchen mehr Empathie statt Populismus. Bürgergeld-Bingo ist eine Antwort auf die derzeitige Debatte, in der einmal mehr Zerrbilder von sozialen Hängematten bemüht und Geringverdienende gegen Erwerbslose aufgewiegelt werden. Dabei ist das Argument, die Grundsicherung müsse sinken, um den Lohnabstand zu gewährleisten, falsch und hilft – im Gegensatz zu höheren Mindestlöhnen – auch den Erwerbstätigen nicht. Die Grundsicherung hat die Aufgabe, jedem Menschen in unserem Land soziale Teilhabe und ein menschenwürdiges Leben zu garantieren. Von diesem Anspruch darf die Politik keine Abstriche machen.
Quelle:
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (Philipp Büttner), Diakonie Deutschland
Evangelischer Verband Kirche Wirtschaft Arbeitswelt (KWA)
Armutsnetzwerk e.V.
Foto: Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt Bayern