Bunte Malpinsel stehen in Bechern auf einem Tisch im Malraum in Rimbach
Foto: Käthe Müller

Mit Pinsel und Farben neue Perspektiven gewinnen

Beate* betrat voller Unruhe das Atelier für Ausdrucksmalen. Die Methode des Ausdrucksmalens dient nicht der Erschaffung eines „schönen“ Bildes, sondern versteht sich als Prozess der kreativen Selbsterfahrung. Es ist eine Art des Malens, um Menschen zu helfen, ihren inneren Konflikten, Ängsten und Gefühlen Raum zu geben. In einer wertfreien Atmosphäre werden die inneren Bilder sichtbar gemacht, ohne Bewertung oder Interpretation – jeder Strich und jede Farbe wird Ausdruck der inneren Wahrnehmung. Es geht um das Erleben des Moments, um den Pinselstrich, der direkt aus dem Inneren kommt.

Beate hatte das Gefühl, dass ihr Leben von einer unsichtbaren Last bedrückt. Als sie begann zu malen, brachte sie diese innere Angst in einer Bildsprache zum Ausdruck: Ein kleines Haus und daneben ein massiver Erdhügel, der bedrohlich auf das Haus zu kippen schien. Der Erdhügel stellte eine überwältigende, existentielle Angst dar, die sie in ihrem Alltag bedrückte.

Perspektive ändern

Während sie vor ihrem Bild saß und die Wirkung der Farben auf sich wirken ließ, kam die Begleiterin des Ausdrucksmalens zu ihr. Diese war darin geschult, den kreativen Prozess zu begleiten, ohne zu deuten oder zu werten, sondern Anstöße zu geben, die zu neuen Einsichten führen können. Behutsam fragte sie Beate, wie sie sich mit dem Bild fühle und ob sie eine Möglichkeit sehen könne, dieses zu verändern, um ihm eine neue Perspektive zu geben. Im Gespräch entstand eine Idee, dem Hügel die Bedrohung zu nehmen, indem er gesichert würde. Die Teilnehmerin nahm diesen Impuls auf und begann, ein Netz über den Erdhügel zu malen, das ihn stabilisieren sollte. Schicht für Schicht spannte sie das Netz aus Linien und Formen, wodurch der Hügel weniger bedrohlich und das Bild stabiler erschien. Der Hügel war immer noch da, aber er schien nun kontrollierbarer und fest verankert.
Dieser kleine, aber bedeutsame Schritt – den Hügel durch ein Netz zu sichern – gab ihr das Gefühl, dass sie ihrer Bedrohung nicht hilflos ausgeliefert war. „Ich weiß nun, dass ich meine Situation aktiv gestalten kann“, sagte sie mit neuem Mut. „Ich bin den Sorgen nicht hilflos ausgeliefert. Es gibt Wahlmöglichkeiten, wie ich mit dieser existenziellen Bedrohung umgehen kann.“

Eigeninitiative entwickeln

Das Ausdrucksmalen hatte ihr ermöglicht, sich mit ihrer Angst auseinanderzusetzen, sie in einer neuen Form zu erleben und schließlich zu kontrollieren. Mit jedem Pinselstrich hatte sie nicht nur ein Bild gestaltet, sondern auch die innere Kraft, die Bedrohung in etwas Sichtbares und Kontrollierbares zu verwandeln. Sie hatte einen Weg gefunden, durch das Malen ihre Perspektive zu verändern und ein neues Gefühl der Sicherheit zu gewinnen – ganz im Sinne der Methode des Ausdrucksmalens, die dazu ermutigt, den inneren Kompass zu finden und das Vertrauen in die eigene Gestaltungskraft zu stärken.

Das Ausdrucksmalen ist ein Angebot für die Besucher:innen der Tagesstätte der Psychologischen Kontakt- und Beratungsstelle in Rimbach

*Name von der Redaktion geändert

Regionale Diakonie Bergstraße
Tagesstätte für Menschen mit seelischer Behinderung
Café Pause
Schloßstr. 52a
64668 Rimbach
Tel.: 06253-9898-226

Quelle: RDB (KM), 02.12.2024
Foto: KM

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